Gästehaus Kamp

Gästehaus Kamp

Blick auf den Deich nach Kamp
Blick auf den Deich nach Kamp

Im Hafenort Kamp, einem attraktiven touristischen Ziel inmitten von wiedervernässten Niedermoorflächen im unteren Peenetal östlich von Anklam, saniert Aldert van Weeren einen Altbau mit nachwachsenden Baustoffen aus der Region.

Es handelt sich um ein ehemaliges Mehrfamilienhaus aus dem 19 Jahrhundert, ein Ziegelsteinbau auf Granitfundament, der zukünftig als Gästehaus für nachhaltigen Tourismus dienen soll.

Aldert van Weeren organisiert regelmäßig Naturtourismusreisen in der Eifel und in Vorpommern, vor allem für niederländische Touristen die von den großflächigen Naturgebieten, die durch die Wiedervernässungen entstanden sind, angezogen werden.

Altbausanierung

Rohrkolben-Dämmung

Bei der Sanierung wird Rohrkolben als Einblasdämmung genutzt. Rohrkolben (Typha spp.) hat aufgrund seines Schwammgewebes in den Blättern sehr gute natürliche Dämmeigenschaften.
Die Dämmung wird in eine Hohlraumwand (Dicke 16-20 cm) eingebracht. Insgesamt werden 220 m² Einblasdämmung mit eiener Dichte von etwa 40 kg pro m³ verarbeitet.

Aldert van Weeren erläutert den bei der Sanierung genutzten Wandaufbau.

Die Ernte der Biomasse fand auf einer nassen Grünlandfläche mit Rohrkolben, in unmittelbarer Nähe des Dorfes Kamp, statt. Der Winterertrag liegt bei 7,5 t TM/ha*a. Die Ernte wurde im Februar durchgeführt, zu diesem Zeitpunkt hatte die Biomasse einen Wassergehalt von 50%.

Die Ernte erfolgte im ersten Jahr per Hand mit Hilfe von Motorsensen und Bigbags. In ca. 3,5 Tagen konnte eine Fläche von 0,5 ha beerntet werden. Die Erntemenge lag bei 1,3 t TM. Im zweiten Jahr wurde die Ernte mit Technik aus der Dachschilfernte auf knapp 5 ha durchgeführt.

Herstellung Einblasdämmung
Die Biomasse wurde in einer Halle ausgebreitet und luftgetrocknet. Danach erfolgte die Auffaserung der ganzen Pflanzen mit Samenständen und das Abfüllen in 100 l Säcke. Das Verfahren wurde aus der Hanfverarbeitung übernommen. Das Einblasen der Rohrkolbendämmung kann mit handelsüblichem Gerät, welches für Zellulosedämmung genutzt wird, erfolgen.

Schilfplatte

Für die Verschalung und als Putzträger wurden Platten aus Schilf-Ausputz (Phragmites australis), der bei den lokalen Dachschilfwerbern anfällt, genutzt. Bei der Dachschilfproduktion fallen etwa 20-50% trockene Abfallbiomasse an, die jedoch für diese Art der Verwertung oder für die Verwertung als Brennstoff ohne Einschränkungen geeignet ist.

Schwammgewebe in den Rohr­kolben­blättern

Rohrkolben-Einblasdämmung

Winterertrag: 7,5 t TM/ha*a
Erntezeit: Februar
Wassergehalt bei der Ernte: 50 %
Rohdichte nach Verbau: 40-90 kg/m³
Hohlraum: 16-20 cm
Wärmeleitfähigkeit: 0,038 W/mK

Schilf-Platte

Wärmeleitfähigkeit: 0,18 W/mK
Baustoffklasse: A2 nicht brennbar, geeignet für Verkleidungen, Wand- und Dachkonstruktionen, wasserfest

Die Ernte der Biomasse fand in Schilfröhrichten im Peenetal nähe Kamp statt. Es wurde das Ausputzschilf der Reet- und Schilfdachdeckerei ANFA GmbH genutzt.

Herstellung Dämmplatten
Die Produktion und Entwicklung der Dämmplatten erfolgte durch die Strohlos Produktentwicklung GmbH und das Strohplattenwerk Müritz. Die Dicke, Formgebung und Größe wurden individuell für den Altbau gefertigt. Der Produktionsprozess umfasst das Aufbereiten mit einer Hammermühle, die Zumischung von Mineralien und das Pressen der Rohmasse.

Vorzüge
Für Aldert van Weeren waren folgende Vorteile ausschlaggebend für die Wahl dieser Bausstoffe: der Wärme-, Kälte- und Schallschutz, ein angenehmes Raumklima, die ökologischen Eigenschaften des Baustoffs, dessen Feuchtebeständigkeit und biologische Abbaubarkeit.

Regionale Kooperationen

Typhaernte in Zusammenarbeit mit den lokalen Rohrwerbern
Typhaernte in Zusammenarbeit mit den lokalen Rohrwerbern

Zur Realisierung des Vorhabens wurde durch Aldert van Weeren und dessen Stiftung "Wetland products" ein Netzwerk regionaler Kooperationspartner gebildet. Die Ernte der Rohrkolben-Biomas­se wurde in Zusammenarbeit mit dem lokalen Schilfdachdecker und Rohrwerber Detlef Schramm realisiert.

Die Schilf-Biomasse für die Schilfplatten stammt aus der Ausputzbiomasse der Reet- und Schilfdachdeckerei ANFA GmbH. Beide Unternehmen ernten seit mehreren Generationen Schilf in der Region. Die Produktion des Einblasdämmstoffes wurde mit Hilfe der Hanffaser Uckermark eG in Prenzlau realisiert. Die Schilfplatten wurden durch das Strohplattenwerk Müritz GmbH entwickelt und produziert.

Die Stiftung "Wetland products" hat sich zum Ziel gesetzt, die lokalen Akteure, Schilfwerber, Landwirte, Baustoffproduzenten und -handel zu vernetzen, um diese Form der nachhaltigen Nutzung zu verstetigen.

Synergien

Rohrkolbenbestand im Spätsommer
Rohrkolbenbestand im Spätsommer

Das Gästehaus in Kamp vereint auf bisher einmalige Weise Moor- und Klimaschutz mit der Stärkung einer nachhaltigen regionalen Wirtschaft und bietet damit neue Perspektiven für regionale Wert­schöpfung. Es ist ein Beispiel dafür, wie eine multifunktionale, zukunftsfähige Nutzung von Moorstandorten aussehen kann.
Bei der multifunktionalen Nutzung von wiedervernässten Mooren für die Biomasseproduktion und den Tourismus in Kamp ergeben sich Synergien in den Bereichen:

  • Regionale Wirtschaft: Stärkung bestehender und Erschließung neuer Wertschöpfungskreisläufe
    • durch Erhalt von Produktionsstandorten auf Niedermooren nach der Wiedervernässung
    • durch Erzeugung, Verarbeitung und Verwertung von Baustoffen aus erneuerbaren Rohstoffen vor Ort
    • durch Nutzung der Wiedervernässungsflächen für den Naturtourismus
  • Mehrfacher Klimaschutz:
    • durch Wiedervernässung: gegenüber entwässerter Moornutzung Treibhausgasemissionen um ca. 10 bis 20 t CO2-Äq./ha*a reduziert
    • durch nachwachsende Rohstoffen werden Dämmstoffe aus fossilen Rohstoffen ersetzt
    • durch die Festlegung von Kohlenstoff in Baustoffen
    • und durch CO2-Einsparung durch Gebäudedämmung
  • Gewässerschutz: gegenüber entwässerten Mooren Vermeidung von Nährstoff-Austrägen und Eutrophierung
  • Biodiversität: Erhaltung und Schaffung des Lebensraums seltener Tier- und Pflanzenarten
  • Tourismus: Biodiversität auf Wiedervernässungsflächen als Magnet für nachhaltigen Tourismus

Quellen & weitere Informationen

  1. Stiftung Wetland products. www.wetlandproducts.com
  2. Wichtmann, W., Schröder, C. & Joosten, H. (Hrsg.) 2016: Paludikultur – Bewirtschaftung nasser Moore. Schweizerbart, Stuttgart, 272 S.