Was ist es wert? Digital rangehen ans Moor
Mit dem Moormonitor entwickelt der studierte Produktdesigner und Moorfan Milan Bergheim mit Kollegen im Projekt Valpeats ein wirtschaftliches und praktikables Monitoring, vor allem um Ökosystemwerte nasser Flächen zu erfassen und zu quantifizieren. Damit will er dazu beitragen, Moorflächen schneller und großflächiger wiedervernässen und nutzen zu können.

Per Drohne über das Moor – das soll bei euch keine schönen Bilder liefern, sondern was genau?
Wir arbeiten daran, mit einem Monitoringsystem nach dem GEST-Ansatz die Vegetation auf Moorflächen zu erfassen und damit schnelle Aussagen über die dort entstehenden Emissionen generieren zu können. Eine Basis also für Überlegungen, wie viel CO2 Emissionen von einer Fläche bei Wiedervernässung vermieden werden könnten und sich in Zertifikaten auf dem freien Kohlenstoffmarkt ausweisen ließen. Die Drohne ist nur ein Bestandteil des Moormonitors, den unser Projektteam Valpeats vom Fraunhofer-Institut für Graphische Datenverarbeitung IGD und der Universität Greifswald als Multisensor-Ansatz entwickelt. Dazu gehört auch ein ganzes Sensorennetzwerk, das Daten in Echtzeit auf der Fläche aufnimmt und auf einen Cloudspeicher überträgt. Es erfasst z.B. Wetterdaten, Wasserpegel oder Bodentemperatur.
Welche Vorteile bietet der Moormonitor?
Der Moormonitor ermöglicht die Erfolgskontrolle von Wiedervernässungsmaßnahmen auf großen Flächen in kurzer Zeit. Botaniker und Hydrologen, die vor Ort auf der Fläche kartieren oder Pegel kontrollieren müssten, werden so unterstützt. Wenn bis 2045 jedes Jahr 50 000 ha wiedervernässt werden sollen, dann lässt es sich mit bestehenden Fachkräften nicht bewerkstelligen. Auch zur Biodiversität macht der Moormonitor Angaben. Es erkennt z.B. Arten der Roten Liste und diese Informationen sind ein Co-Benefit für Zertifikate, ähnlich wie Eigenschaften zu Wasserrückhalt oder Brandverhütung.
Warum sollten sich gerade Landwirte für den Moormonitor interessieren?
Das System nimmt nicht nur den Anfangszustand auf, sondern liefert nach der Vernässung kontinuierlich Daten über den Aufwuchs auf der Fläche. In Richtung „Smart farming“ könnte der Landwirt also sehen, wo etwas nicht so gut läuft und seine Maßnahmen anpassen. Er wüsste über die Zusammensetzung seiner Biomasse genau Bescheid und könnte sie bei der Ernte mit genauen Details labeln und zielgerichtet für eine bestimmte Verwertung, ob Futter, Verpackung oder Energie, ernten und verkaufen. Und klar: Er kann den Wert seiner Fläche für Ökowertpapiere oder freiwillige Kohlenstoffzertifikate objektiv und nachvollziehbar dokumentieren und quantifizieren. Durch den Verkauf von Zertifikaten kann der Landwirt zusätzlich Geld für die Wiedervernässung und Umstellung auf Paludikultur erhalten. Der Moormonitor soll durch eine höhere Datendichte als bei bisherigen Standards und einer weniger konservativen Berechnung dazu beitragen, mehr Zertifikate und damit mehr Geld verfügbar zu machen, mehr Landwirte zu interessieren und eine schnellere Umsetzung von großflächiger Wiedervernässung zu erreichen.
Wie bist du als Produktdesigner auf den Moormonitor gekommen?
Als Student konnte ich nicht glauben, dass Moore brennen können. Ich hatte mich damals eingelesen und festgestellt, dass trotz der Erkenntnisse für mehr Wiedervernässungen wenig passiert. In meinem Master hatte ich eine Dienstleistungs- und Monitoringlösung konzeptioniert und mich dann mit re:wet als Gründer versucht. Leider musste ich feststellen, dass der Forschungs- und Entwicklungsbedarf noch hoch ist. Genau diesen decken wir jetzt mit dem fünfköpfigen Valpeats-Team ab: Ein Biogeochemiker übernimmt die wissenschaftliche Leitung und befasst sich insbesondere mit der Datensynthese, ein Umweltwissenschaftler mit hydrologischer Modellierung, wir haben einen Experten für künstliche Intelligenz und eine Landschaftsökologin mit botanischer Expertise. Außerdem unterstützen uns momentan fünf wissenschaftliche Hilfskräfte bei Feldarbeit, Drohnenflügen und Datenaufbereitung.
Wie stellst du dir eure Arbeit vor in ein paar Jahren vor?
Das beste Szenario: Wir bringen den Moormonitor zur Marktreife, viele Interessierte fragen den Dienst für ihre nass bewirtschafteten Flächen nach und bekommen Geld für die darauf erzeugten Ökosystemleistungen.
Eher als einzelne Landwirte werden Planungsbüros oder Projektentwickler den Moormonitor kaufen, beziehungsweise eine Lizenz für die Software. Wir überlegen ein Start-up zu gründen und das Monitoring als Dienstleistung anzubieten. So könnten wir zu etwas Sinnvollem beitragen.
All diese Arbeit hilft natürlich nicht, wenn sich andere Dinge nicht entwickeln, wenn Vernässungen jahrelang dauern, unzählige Gutachten erforderlich sind und der Markt nicht in Gang kommt. Aber ich bin eher zuversichtlich!
Milan Bergheim koordiniert die nutzerzentrische Entwicklung digitaler Produkte im Projekt Valpeats.
Mehr Information:
Projekt Valpeats
Projekt re:wet
Das Interview führte Nina Körner