Im besten Fall muss ich gar nichts hören
Alexander Drexler erfasst Biodiversität per Audio. Bioakustisches Monitoring heißt der Fachbegriff. Für das Projekt PaludiZentrale erfasst er damit die biologische Vielfalt auf Flächen vor und nach Wiedervernässung, insbesondere vor und nach einer Bewirtschaftung in Paludikultur.

Wie sieht das eigentlich aus bei so einem bioakustischen Monitoring? Ausschau nach Libellen und dann das Mikro ranhalten?
Nein, beim bioakustischen Monitoring erfassen wir Lautäußerungen von Arten mit fest installierten Mikrophonen. Die Geräusche sind dabei tierischen Ursprung. Diese Aufzeichnungen werten wir aus und ziehen Rückschlüsse auf die vorhandenen Arten.
Bei Vögeln ist das ziemlich eindeutig, aber Insekten? Welche Arten kannst du erfassen?
Stimmt, es lässt ich viel erfassen, aber die Frage ist, wie gut es sich auch auswerten lässt. Der Gesang von Vögeln ist meist eindeutig und gut per Künstlicher Intelligenz (KI) auswertbar. Auch bei manchen Insekten wie Heuschrecken funktioniert das. Aber bei Bienen zum Beispiel kenne ich selbst noch keine Auswertungen.
Wir erfassen auch Fledermäuse. Die Schwierigkeit hier: Ihre Tonäußerungen im Ultraschallbereich können wir die wir mit unseren Ohren nicht hören. Dafür gibt es spezielle Geräte, doch aus den Rufen einzelne Arten zu identifizieren ist nicht leicht. Es ist an der Grenze dessen, was unsere Geräte leisten können, aber machbar. Denkbar ist z.B. auch, Amphibien erfassen, evtl. sogar Insekten unter Wasser. Wissenschaftler*innen aus Manchester versuchen das.
Was ist denn der Vorteil von bioakustischem Monitoring?
Die Methode ist nicht gebunden an eine bestimmte Zeit und nicht an Personen. Der Eingriff in die Natur ist gering und ermöglicht vergleichbare Ergebnisse von Aufnahmen auf verschiedenen Flächen. Wir scheuchen keine Tiere auf und entnehmen sie auch nicht. Zum Vergleich: Bei Vogelkartierungen könnten Menschen nie so lange kartieren, wie unsere Geräte aufzeichnen. Bei Fledermäusen wären Netzfänge die Alternative. Bioakustisches Monitoring ist passiv und wir müssen nur minimal in die Natur eingreifen.
Wie bist du zu dieser Methode gekommen?
Ich bin durch mein Studium bei Prof. Dr. Frank Dzoizck an der Hochschule für Technik und Wirtschaft in Dresden darauf gekommen. Außerdem habe ich eine kleine technische Affinität und für die Hochschule und andere Organisationen Audiorekorder gebaut, etwa für Projekte oder Planungsbüros.
Dabei kommen leicht hunderte Stunden Audioaufnahmen zusammen – das lässt sich nur schwer durchhören…
2024 haben wir ca. 12 Terrabyte Daten erhoben, das sind zusammen rund 30.000 Stunden hintereinander abgespielt wären das mehr als drei Jahre
Das kann ich mir natürlich nicht anhören. Im besten Fall muss ich tatsächlich fast gar nichts davon hören, denn da kommt die KI ins Spiel. Wir haben ein halbautomatisiertes Verfahren, in dem ich „nur“ manche Ergebnisse nochmal anhöre. Damit wollen. wir herausfinden, wie oft die KI sich pro Art nicht sicher ist. Wir wissen, dass sie einen Fehlerwert hat, denn es gibt zum Beispiel eine Regionalität, also so etwas wie einen Dialekt, in den Rufen der Vögel.
Um diesen Fehler zu bestimmen bzw. die Ergebnisse der KI zu validieren, hören wir uns für verschiedene Standorte 300 zufällige Rufe von jeder Vogelart in Audioschnipseln von je drei Sekunden an. Wir betrachten auch die zeitliche Regression, denn es ist unwahrscheinlich, dass ein Vogel nur einmal ruft oder singt. Am Ende stellen wir die Arten nicht nur fest, sondern können auch gute Aussagen zur Phänologie treffen, also zu Anwesenheit und Verhalten einer Art im Jahresverlauf. Dabei die Anzahl der Vertreter einer Art zu bestimmen, bleibt allerdings schwierig.
300 Rufe je 3 sec mindestens? Ist das nicht langweilig?
Ja, schon langweilig. Wir brauchen für die Validierung pro Art mindestens eine halbe Stunde und wir rechnen mit 200 Arten.
200 Arten, das klingt viel. Lässt das schon eine Aussage zu Paludikulturflächen zu?
Wir haben die Feldaufnahmen erst abgeschlossen und machen uns gerade an die Auswertung. Eine Aussage können wir noch nicht treffen.
Der schönste Sound des Monitorings – welcher war das? Oder lässt es sich nicht sagen?
Nein noch nicht, bisher habe ich nur testweise reingehört. Und beim bioakustischen Monitoring ist ja wirklich das Ziel, dass wir uns nicht alles selbst anhören müssen – im besten Fall.
Ganz konkret – was hast du schon gefunden?
Soweit sind wir noch nicht. Wir sorgen in PaludiZentrale dafür, dass die Flächen von neun Projekten in einem Monitoring über zehn Jahre nach gleichen und vergleichbaren Standards erfasst werden. Die Analyse dauert also noch etwas.
Das Interview führte Nina Körner.