Das Doppelleben der Paludibiomasse durch Kaskadennutzung
Umweltingenieurin Dr. Karina Brown will durch eine Kaskadennutzung die vielfältigen Verwertungsmöglichkeiten aus Paludibiomasse herausholen. Als Einstreu im Stall verwendet, wird dieses Pflanzenmaterial – aufgewertet durch Geflügelausscheidungen – zu einem vielversprechenden Substrat für Biogasanlagen. Die Möglichkeit durch die Kaskadennutzung von Paludibiomasse ein zusätzliches Einkommen zu generieren, könnte für Landwirte die Wirtschaftlichkeit von Paludikultur verbessern.
Frau Dr. Brown, Paludibiomasse aus der Geflügelfarm für Energie in landwirtschaftlichen Biogasanlagen – wie forscht man daran? Bekommen Sie jeden Tag eine Fuhre Mist geliefert?
Nein, nicht ganz. Innerhalb des Moorpilotprojekts BLuMo, mit welchem wir als WetNetBB kooperieren, wurden aus einer Tonne Paludiheu Pellets in unterschiedlichen Aufbereitungsvarianten am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB) in Potsdam produziert. Unterstützt wurde diese Arbeit durch die enge Zusammenarbeit mit einem regionalen Landwirt aus dem Rhinluch. Auf einer Geflügelfarm wurden die Pellets unterschiedlicher Qualitätsstufen dann als Einstreumaterial ausgebracht. Nachdem die Pellets in ihrem Saugvermögen durch die tierischen Ausscheidungen verbraucht waren, wurden Proben vom Einstreumaterial aus dem Versuchsstall entnommen. Anschließend erfolge im ATB-Labor die Bestimmung des Biogasbildungspotenzial. Dafür gibt es weltweit standardisierte Messverfahren.
Biomasse aus Mooren ist relativ energiearm, könnte mit Geflügelmist aber ein energetischer „Supersource“ werden – warum eigentlich?
„Supersource“ vielleicht nicht, aber sicherlich eine interessante Alternative zu anderen derzeit verwendeten landwirtschaftlichen Biogassubstraten. Das ist zumindest unser Ausgangspunkt. Die Energiegewinnung aus Paludibiomasse ist keine leichte Aufgabe, wie die bisherigen Forschungsergebnisse zeigen. Dies hängt sowohl mit der chemischen Struktur der Biomasse selbst zusammen, die schwer vergärbar ist, als auch mit ihrer Zusammensetzung. Dies wiederum beeinflusst nicht nur die Menge, sondern auch die Qualität des produzierten Biogases. Biogas besteht hauptsächlich aus Kohlenstoffdioxid und Methan. Uns geht es um das Methan, den Energieträger im Biogas. Davon wollen wir eine maximale Menge erzeugen, was auch durch die Nutzung als Einstreu in der Tierhaltung erzielt wird. Wie unsere Ergebnisse zeigen, verbessert die Verwendung von Einstreumaterial, das mit tierischen Ausscheidungen angereichert wurde, die Stabilität des Methanproduktionsprozesses.
Warum die Paludibiomasse nicht einfach so als Stroh in den Stall legen? Macht der Zwischenschritt der Pelletierung es nicht komplizierter für Landwirte?
Es gibt mehrere Vorteile: Pellets absorbieren Flüssigkeiten viel besser als Stroh. Das bedeutet, dass Einstreu in Pelletform nicht so oft ausgetauscht werden muss - ein klarer Vorteil für die Landwirte. Dank der Vorbehandlung weist Einstreu in Pelletform zudem eine mikrobiologische Unbedenklichkeit auf und ist somit sicher in der Tierhaltung einsetzbar. Außerdem produzieren wir mit den Pellets ein Produkt, das sich leichter und ohne Qualitätseinbußen lagern und transportieren lässt. Die Pelletierung bietet Landwirt*innen mehr Flexibilität und die Möglichkeit, ihr Einkommen zu diversifizieren. Sie können einen Teil der Pellets verkaufen oder andere Pelletprodukte mit der Presse herstellen, wie beispielsweise Brennstoffpellets.
Wäre dieses Konzept finanziell rentabel?
Die Wirtschaftlichkeit der Kaskadennutzung in der vorgestellten Variante muss im Einzelfall geprüft werden. Ob sich diese Nutzung am Ende lohnt, hängt unter anderem von der Qualität der produzierten Pellets ab. Mit anderen Worten, es kommt darauf an, ob sich die für die Pelletierung benötigte Energiemenge und die aus den gebrauchten Einstreupellets gewonnene Methanenergie zumindest gegenseitig ausgleichen. Um dies zu ermitteln, muss zunächst der Vergärungsprozess optimiert werden. Erst dann können wir sagen, ob diese Kaskadennutzung von Paludibiomasse wirtschaftlich sinnvoll ist.
Schilf, Rohrkolben, Seggen – was kommt in Ihrem Experiment eigentlich in den Tank?
In dem Vorhaben WetNetBB konzentrieren wir uns auf die Biomasse von Feucht- sowie Nasswiesen, die sehr heterogen ist. Die Vegetation hängt vom Wasserstand ab und wird durch natürliche Sukzession geprägt. Hier handelt es sich nicht um das Material von nur einer einzigen Pflanzenart.
Wie sind Sie zu dieser Forschung gekommen?
Bereits während meiner Promotion in Polen habe ich mich mit verschiedenen Energiepflanzen, die als schwer vergärbar für die Biogasproduktion gelten, befasst. Meine Forschungserfahrungen zeigen, dass sich die schwere Vergärbarkeit mindern lässt, zum Beispiel durch Vorbehandlung, eine Kaskadennutzung oder Ko-Vergärung. Angesichts der damit verbundenen Möglichkeiten - wie einer verlängerten Nutzungsdauer – ist es sehr sinnvoll, dieses Thema auch im Kontext der Paludikulturen zu untersuchen.
Welches Ergebnis würden Sie sich für Ihre Forschung wünschen?
Ich bin nicht hier, um mir etwas zu wünschen. Als Wissenschaftlerin möchte ich Landwirt*innen eine belastbare Grundlage auf Basis verlässlicher Forschungsergebnisse liefern, mit der sie fundierte Entscheidungen treffen können, ob eine solche Kaskadennutzung ein interessantes Geschäftsmodell für sie ist oder nicht.
Dr. Karina Brown forscht am Leibniz-Institut für Agrartechnik und Bioökonomie e.V. (ATB) im Projekt WetNetBB zur Nutzung von Moorbiomasse in bestehenden landwirtschaftlichen Biogasanlagen. Diese Arbeiten finden in enger Kooperation mit dem Projekt BLuMo zur stofflichen Nutzung von Moorbiomasse statt.








